Im Krankenhaus

Die Leute umstanden den Wagen,
Versperrten den Weg immer mehr.
Ich wurde ins Auto getragen,
Ein Ersthelfer sprang hinterher.

Der Rettungsdienst raste vorüber
An Gaffern, Portalen der Stadt,
An Straßen, belebt wie im Fieber,
Und tauchte ins Dunkel der Nacht.

Der Weg, Polizei und Gestalten
Erschienen im Lichtkegel weiß.
Kaum konnte die Pflegerin halten
Das Fläschchen mit Salmiakgeist.

Im Eingangsraum floss ohne Eile,
Voll Wehmut der Regen durchs Rohr.
Sie arbeiteten Zeile für Zeile
Im Aufnahmebogen sich vor.

Zur Tür wurde er hingeschoben;
Die Klinik war überbelegt.
Nach Jod roch es stechend von oben,
Und Kälte drang ein unentwegt.

Das Viereck des Fensters umsäumte
Vom Garten, vom Himmel ein Stück.
An Böden und Kittel und Räume
Gewöhnte der Neuling den Blick.

Die Schwester kam, stellte ihm Fragen
Und wiegte den Kopf unbestimmt.
Was immer sie tun und ihm sagen –
Er spürte: sein Leben verrinnt.

Da sah er, vor Dankbarkeit trunken,
Ganz nah vor dem Fenster die Wand,
Erleuchtet von tanzenden Funken,
In loderndem Feuer entflammt.

Rotglühend erstrahlten die Schranken;
Es sandte, vom Lichtschein erfasst,
Der Ahorn ihm Abschiedsgedanken
Und winkte mit knorrigem Ast.

„O Herr – was Du schufst, ist vollendet“,
Sprach leise der Kranke zu Gott.
„Die Betten und Menschen, die Wände,
Die nächtliche Stadt und der Tod.

Ein Schlafmittel musste ich nehmen,
Doch weine ich, zerre am Stoff.
O Herr, durch Erregung und Tränen
Hab Dich ich zu finden gehofft…

Ich seh einen Lichtschimmer schweben,
Der kaum auf dem Lager verweilt,
Erkenne mich selbst und mein Leben
Als Reichtum, von Dir zugeteilt.

Im Krankenhaus muss ich verscheiden,
Ich fühle die Glut Deiner Hand;
Für Dich bin ich Ring und Geschmeide,
Du bettest mich tief in den Samt.“

 

Boris Pasternak

Übersetzt von Christine Fischer

In: Boris Pasternak: Wenn es aufklart. Werkausgabe Band 3: Gedichte, Erzählungen, Briefe. Hrsg. von Christine Fischer, Frankfurt a.M.: S. Fischer, 2017, S. 114-116.