Fort, Gedanken, ihr herbstlichen Wolken!
Seht, der goldene Frühling beginnt.
Wird auf Klage nur Kümmernis folgen,
Jahr um Jahr, bis die Jugend verrinnt?
Unter Tränen zum Lächeln mich zwingend,
Will ich singen am dunkelsten Ort,
Hoffnungslos soll mir Hoffnung gelingen –
Leben will ich! Fort, Traurigkeit, fort!
In die kargen, die darbenden Wiesen
Setz ich Blumen, vom Frosthauch umtost;
Mit der bittersten Tränenflut gießen
Will ich sie – bis sie blühen zum Trost.
Auch das kälteste Schneefeld wird tauen,
Wenn der Panzer des Eises zerbricht;
Bunte Blüten entstehn, und vertrauen
Will dem heiteren Frühling auch ich.
Auf den Berg hab ich Steine zu tragen,
Ich muss Elend erleiden noch lang;
Doch an schrecklichen, finsteren Tagen
Soll mein Lied fröhlich klingen, nicht bang.
Vor der Dunkelheit werd ich bestehen,
Ausschau haltend im lichtlosen Heim,
Um die Nacht überwunden zu sehen,
Wenn ein leuchtender Stern mir erscheint.
Ja! Durch Tränen zum Lächeln mich zwingend,
Werd ich singen am dunkelsten Ort,
Hoffnungslos wird mir Hoffnung gelingen –
Leben werde ich! Traurigkeit, fort!
Lesja Ukrajinka
Übersetzt von Christine Fischer
Auch in: NZZ am Sonntag, Bücher am Sonntag, 25.06.2023, S. 18.