Die Weide

Und das verdorrte Astgewirr.Trauerweide
Puschkin

Im Mosaik der Stille war ich Kind,
In Kühle wuchs heran auch mein Jahrhundert;
Wenn Menschen sprachen, war ich nur verwundert,
Verständlich sprach zu mir allein der Wind.
Die Klette und die Nessel liebt’ ich beide,
Doch noch viel inniger die Silberweide.
Und dankbar war zu leben sie bereit
Mit mir zusammen. Aus den Trauerzweigen
Fiel stets in meine Nacht der Träume Reigen …
Nun kam – vor meiner – ihre Sterbezeit!
Dort ragt der Stumpf, und fremde Stimmen steigen
Aus andern Weiden, flauen wieder ab,
Hier, wo sich diese unsre Himmel neigen.
Ich schweige … denn mein Bruder liegt im Grab.

 

Anna Achmatova

Übersetzt von Christine Fischer

 

In: Anna Achmatova: 50 Gedichte, Jena 2003, S. 83.